Wie man Stecklinge selber herstellt und was man dafür benötigt

Wie man Stecklinge selber herstellt und was man dafür benötigt

Klonieren (Cloning) klingt nach viel Wissenschaft – doch so viel ist es gar nicht. Bei Klonen handelt es sich auch um Stecklinge – also Pflanzenteile, die zwecks vegetativer Vermehrung abgeschnitten wurden, bewurzelt werden und schlussendlich als „neue“ Pflanze gezogen werden können. Wann sich Cloning empfiehlt, wie Cannabis Stecklinge geschnitten werden und worauf man achten muss, erklären wir Dir hier.

Stecklinge herstellen und schneiden – mit Video erklärt

Kleiner Tipp: Solltest du ein visueller Lernen sein, dann haben wir hier ein Video für dich, in dem wir dir erklären, wie du Cannabis Steckling selber herstellst. Das Video ist zwar bereits etwas älter und ist unabhängig von diesem Text entstanden, aber wir wollten es Dir dennoch nicht vorenthalten.

Einleitung

Die Biologie der meisten höheren Pflanzen erlauben ihnen ein theoretisch unendliches Wachstum der Sprossachse. Dabei sind die jüngsten Zellen an den Trieb- und Wurzelspitzen (Apikalmeristeme) genetisch auf einem ähnlichen Stand wie der Keimling selbst, der einst aus dem Samen kam. Die Apikalmeristeme sind also Stammzellen, teilungsfähige Zellen. Diese Eigenschaft kann man sich zunutze machen, um mehrere genetisch identische Pflanzen anzubauen.

Jeder Samen ist von Natur aus unterschiedlich. Sie unterscheiden sich so voneinander, wie wir es von unseren engsten Verwandten tun. Denn jedes Individuum hat eine einzigartige Genkombination, auch Genotyp genannt.
Hat man ein Individuum mit besonderen Merkmalen, geht es in erster Linie um die Erhaltung des Genotyps – das individuelle genetische Setting soll nicht verloren gehen. Dafür werden von den ausgewählten Individuen Stecklinge genommen. Diese Stecklinge besitzen demnach denselben Genotyp wie die Mutterpflanze. Nun kann man davon ausgehen, dass, wenn diese Stecklinge unter gleichen Bedingungen wie das ursprüngliche Individuum aufwachsen, sie auch denselben Phänotyp aufweisen – also dieselben begehrten Eigenschaften zeigen. Beispiele solcher Eigenschaften können Fruchtgröße, Geschmack, Farbe, Ertrag, Resistenzen und vieles mehr sein.

Die Vorbereitung der Mutterpflanze

Als Vorbereitung für das Cloning von Cannabis empfiehlt es sich die Mutterpflanze einige Zeit vorher zu stutzen. Verholzte, alte Pflanzen sollte man verjüngen. Bei jüngeren Pflanzen kappt man das Apikalmeristem der obersten Haupttrieb Spitzen vorsichtig, dadurch entwickeln sich die Seitentriebe stärker. Im Zuge dessen können auch einige der größeren Laubblätter entfernt werden, um das Seitentrieb Wachstum weiter zu triggern. Die Seitentriebe werden in den nächsten Tagen ein extremes Längenwachstum der Stängel zeigen. Durch Dimmen kann die Lichtintensität gedrosselt werden. In Addition kann eine zusätzliche IR-LED-Leiste die Pflanze bestrahlen. Infrarot triggert das Längenwachstum der Internodien und die Pflanze stretcht.

Cannabis Steckling mit Stift als Größenvergleich

Längere, junge, dünne, gesunde Triebe sind gewünschtes Vermehrungsmaterial.

Geschnittener Steckling

Steckling wird von überflüssiger Blattmasse befreit.

Steckling bereit für Wasser

Nach dem vorsichtigen letzten Schnitt muss der Steckling unverzüglich ins Wasser.

Stecklinge von der Mutterpflanze herstellen

Um optimale Stecklinge zu bekommen, ist es wichtig, möglichst junge und gesunde Pflanzenteile zu entnehmen, um so eine möglichst junge Genetik zu erhalten. Achte bei der Wahl der Triebe auf die Gesundheit, das Wachstumsverhalten und die Triebspitze. Junge, dünne Triebe haben den Vorteil, dass sie im geschnittenen Zustand durch den geringeren Durchmesser weniger schnell austrocknen als dickeres Pflanzenmaterial. Damit hat die Pflanze eine höhere Chance, Wurzeln zu bilden, bevor ihr der Saft ausgeht. Nachdem die Triebe der gestutzten Mutterpflanze einige Tage wachsen können, ein paar Nodien aufweisen und mindestens 10cm lang sind, sind sie bereit zum Abschneiden.

Für die Stecklings Entnahme selbst benötigt man eine saubere Gartenschere und ein desinfiziertes Skalpell, ein Glas mit 2 Finger breit Wasser befüllt, Latex- oder Nitril-Handschuhe und ggf. Desinfektionsalkohol. Es empfiehlt sich, vor jedem Schnitt die Schere zu desinfizieren, um Kontaminationen zu vermeiden.

Man schneidet stets oberhalb einer Nodie, also oberhalb eines Blattaustriebes ab. Der abgeschnittene Steckling wird, abgesehen von der Triebspitze und den ersten 2-3 Nodien, von allen weiteren Nodien befreit. Abgeschnittene Blattachseln wachsen nicht nach. Die Reduzierung der Blattoberfläche hat den Grund, dass man die Pflanze vor zu schnellem Austrocknen schützt, denn Pflanzen transpirieren über ihre Blätter. Lediglich die Triebspitze und ein paar jüngere Blätter bleiben übrig. Ein Blattwerk-Durchmesser von 5cm pro Steckling ist dabei vollkommen ausreichend. Sind die oberen Blätter zu groß, können deren Blattspitzen eingestutzt werden.

Den letzten Schnitt setzt man im 45° Winkel circa 9 cm unterhalb der Triebspitze mit einem scharfen Skalpell. Dieser Schritt sollte mit Bedacht durchgeführt werden. Der Schnitt muss möglichst glatt und scharf sein, damit so wenige Stammzellen wie möglich verletzt werden. Diese sind es, die später hier die Wurzelbildung einleiten. Der Steckling wird nach diesem Schnitt schnellstmöglich in ein Wasserglas gegeben, um den Kapillardruck aufrechtzuerhalten. Dann können die Stecklinge mit Wasser aus einem Zerstäuber-Sprühkopf benebelt werden, um die Luftfeuchtigkeit künstlich hoch zu halten.

Theoretisch kann man über die Stecklingsentnahmen Genotypen ewig erhalten. Dazu muss man lediglich alle paar Monate die Mutterpflanze ebenfalls erneuern. So kann eine augenscheinlich junge Pflanze eine alte Genetik aufweisen, je nachdem wie lange sie schon gehütet wird.

Bei Stecklingsnahmen ist es Ratsam, 20% mehr Stecklinge zu nehmen als Pflanzen gewollt sind, da die Ausfallwahrscheinlichkeit relativ hoch ist. Falls nicht, kann man die stärksten und gesündesten wählen.
Sind alle nötigen Stecklinge präpariert in ihrer Vase, kann das Anzuchsubstrat befeuchtet werden. Der Steckling wird dann vorsichtig ins feuchte Substrat gesteckt. Um der Pflanze einen optimalen Start zu gewährleisten, lässt sich durch Zugabe von ein wenig pH Dünger zum Gießwasser der pH-Wert senken. Ein leicht saurer pH-Wert (um 5,6) stimuliert dabei die Wurzelbildung. Um das Wurzelwachstum weiter zu triggern, bietet es sich an, die Schnittenden vor dem Stecken in Rooting-Gel zu tauchen. Darin sind Auxine und ähnliche pflanzliche Enzyme enthalten, die die Wurzelbildung antreiben. Auxine werden auch von der Pflanze selbst synthetisiert. Voraussetzung für Wurzelwachstum ist das Fehlen von Licht, weshalb Wurzeln nur in lichtdichten Bereichen wachsen.

Damit der Steckling den Überlebenskampf um die Wurzelbildung übersteht, müssen einige Faktoren erfüllt sein:

Sie mögen es mollig warm! Die Umgebung muss dauerhaft warm sein, idealerweise höher als 26°C. Das Substrat muss dabei ebenfalls dauerhaft warm (mindestens Raumtemperatur) sein. Bei Bedarf (oder in der kalten Jahreszeit) empfehlen wir Bewurzelungs-Heizmatten.
Das Substrat sollte großteils frei von Nährstoffen sein. So bekommen die Pflanzen keinen osmotischen Schock und bilden längere Wurzeln auf der Suche nach Nährstoffen aus. Hier eignen sich Rockwool-Cubes, Jiffys oder Anzuchterde.
Sie mögen es feucht! Das Substrat muss immer feucht gehalten werden. Nicht nass und es darf vor Allem niemals austrocknen.
Sie mögen es sauer! Während der gesamten Anzuchtsphase sollte das Substrat leicht sauer bei einem pH-Wert von 5,7 liegen. Je nach genutztem Substrat können die Werte zwischen 5,5-6,1 variieren.
Die Luftfeuchtigkeit um den Steckling herum sollte möglichst hoch, mindestens aber bei 70% RH liegen. Um die Luftfeuchtigkeit hoch zu halten eignet sich ein Anzuchtsgewächshaus (Dome). Einzelne Pflanzen kann man wie unten abgebildet mit zerschnittenen Plastikflaschen abdecken.
Sie mögen es hell! Ausreichende Lichteinstrahlung mit kurzen bis keinen Dunkelphasen. Aber weniger ist mehr: Eine geringere Lichtintensität triggert ein früheres Wurzelwachstum. Zwei 10W LED Anzucht Stripes auf Dauerbetrieb sind ausreichend pro handelsüblichem Anzuchtsgewächshaus.

Steckling mit Dome

Steckling unter DIY-Dome bereit zum Bewurzeln.

Mit diesen Voraussetzungen gibst Du dem jungen Klon ein gutes Setup, um Wurzeln zu bilden. Doch auch Schimmel und andere Destruenten lieben dieselben Voraussetzungen, weshalb das Tragen von Latexhandschuhen während der Arbeitsschritte sehr zu empfehlen ist. Zudem bietet sich beim täglichen Bewässern eine optische Untersuchung der Töpfchen auf unerwünschte Mitbewohner an. Nach 10-14 Tagen sind die erfolgreichen Stecklinge zu bewurzelten Jungpflanzen mit mehreren Blattpaaren und einem kleinen Wurzelballen geworden, bereit zum Topfen.